17.11.2022

Daniel Osterwalder

Wem gehört der Wald? Vol No 2

Über neues Wirtschaften

Commoning ist ein Weg hin zu anderem Wirtschaften. Wirtschaften, ganz im Sinne von "Wir sind die Wirtschaft", wie es Kai Romhardt in seinem gleichnamigen Buch schrieb. Das heisst auch: Was hält uns davon ab, Wirtschaft in die Hand zu nehmen, auch die Art und Weise, wie dies geschieht.

Ich bin heute Morgen frisch und ziemlich frohgemut mit dieser Frage in die Blog Challenge gestartet. Nicht als rhetorische Frage, bewahre. Nicht als Frage, die sich wie mit Zauberhand von selber löst, sondern ganz ernsthaft. Ernsthaft, weil ich zum einen die Türe rund um das Thema„Common“ als Alternative des kapitalistischen Wirtschaftens öffnen möchte. Weil wir mit der Denkweise des Profitstrebens als alleinseligmachenden Movens wirtschaftlichen Handelns nicht weiterkommen bei Fragestellungen rund um "Dienstleistungen",die gratis erbracht werden. Davon jedoch später.
Und zum anderen, weil diese Frage einen Moment lang tatsächlich in Bern im Raum stand: Wollen wir den Wald als Common verstehen und welche Folgen hat das auf beispielsweise das forstwirtschaftliche Handeln.
Und schliesslich: Die Frage ist nicht ganz banal, denn die möglichen Antworten hängen auch damit zusammen, auf welche Weise wir in die Welt blicken. Und da werden wir uns dann rasch in ziemlich abschüssigem Gelänge bewegen. Aber zuerst möchte ich gerne die folgende Frage klären.

Die Welt als Commons denken?

Im Kern drehen sich die Thesen rund um die Idee, Welt als Commons seit den Arbeiten von Elinor Ostrom u.a. um eine kleinteilige Art und Weise des Wirtschaftens. Vereinfacht: Wir wirtschaften im kleinen und überschaubaren Kreis und verstehen, was wir entwickeln und produzieren und verstehen auch, auf welche Weise wir Güter oder Ressourcen, verstanden als Kapital, im Kreislauf halten können, statt sie in einem stetig wachsenden Berg als Abfall zu entsorgen, wie Annette Kehnel in „Wir konnten auch anders“ treffend beschreibt. Dabei zeichnen sich Commons dadurch aus, dass sie gemäss Helfrich

  • auf natürlichen Ressourcen beruhen und deren Reproduktion bedürfen
  • Wissen repräsentieren
  • einem sozialen Prozess entsprechen

Ressourcen werden gemäss Commoning im Kreislauf gehalten, wo es nicht um Besitz, Geldressourcen oder Macht geht, um an der Aufteilung teilzuhaben. Und so schreiben Silke Helfrich und David Bollier in "frei, fair und lebendig" folgerichtig, dass „durchCommoning Lebensmittel angebaut und verteilt, Wälder geschützt, Wohnraum geschaffen, Menschen gepflegt, Traktoren entworfen, Schulbücher verfasst, gemeinwohlorientierte Kreditsysteme geschaffen“ werden. Und erläutern weiter, dass „Commoning ein lebendiger sozialer Prozess [ist], in dem Menschen selbstorganisiert ihre Bedürfnisse befriedigen“. Oder um es mit Goethe zu sagen: „Mein Werk ist ein Kollektivwesen, das den Namen Goethe trägt“, während Francisco Varela, einer der Mitdenker des Radikalen Konstruktivismus als junger Forscher lapidar festhält, dass er keine Ideen erfindet, sondern diese quasi aus dem Raum über ihm pflückt, wo sie schon längst vorhanden sind. Seine Aufgabe bestünde darin, diese Idee zu pflücken und sie in die Welt zu bringen, nur um sie dann auch wieder loszulassen. Kein Copyright, kein Anspruch auf Patentierung, sondern Ideen und Denkweisen verstanden als Modell, diese in die Welt zu bringen als „Besitz“ der Welt, nur um sie der Welt zurück zu geben.


Alte Konzepte loslassen

Wir haben viele Konzepte und Modelle, die uns und mit uns auch die Welt ziemlich in die Bredouille gebracht haben. Eines dieser Konzepte ist die Idee der fortwährenden und allumfassenden Konkurrenz. Jeder gegen jeden und - ausser im trauten Kreis von Freundinnen, Freunden und Familie. Ein ähnlich verheerendes Konzept ist jener der Nation, das wie George L. Mosse schön zeigen konnte, erst um 1800 aufkam und in Form von Nationalhymnen, -flaggen, -tänzen, -farben und anderem mehr die Abgrenzung forcierte, statt das Gemeinsame ins Zentrum zu rücken. Das Gemeinsame, worauf die Kooperation letztlich gründet. Commoning meint dann eben "Souveränität ohne Nationalismus, Individualität ohne Ellenbogenmentalität, Gemeinsamkeit ohne Zwang" und schöpferische Kraft ohne Konkurrenz mit viel Mut zu Neuem und Unsicherem. Und bedeutet auch, dass wir uns kreativ und kritisch damit auseinandersetzen wollen, beispielsweise den Wald als Commons zu verstehen. Als etwas, worüber wir gemeinsam und miteinander entscheiden, was in und mit Wald passieren darf. Reicht dieser Gedanke aus, unser Verhältnis zu Welt neu zu klären?

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